HAIKO´S FILMLEXIKON

COTTON MARY

(NUR INFORMATION, REVIEW FOLGT…)

Südindien 1954. Im prachtvollen Herrenhaus der britischen Macintoshs herrscht helle Aufregung. Während der BBC-Korrespondent John Macintosh einmal mehr auf einer seiner ausgedehnten Recherche-Reisen ist, kommt seine Frau Lily vorzeitig mit einer kränklichen Tochter nieder. Waren schon die Umstände der Geburt mehr als dramatisch zu nennen, weisen die Tage danach auf schwerwiegendere Probleme.

Die energiearme Lily ist nicht in der Lage, ihre kleine “Baba” zu stillen. Der Oberarzt des Krankenhauses, aber auch die Schwestern, reagieren einigermaßen hilflos auf die lebensbedrohliche Situation. Tatkräftig und mit Initiative agiert allein die anglo-indische Schwester Cotton Mary. Sie wittert eine große Chance. Die Möglichkeit auf gesellschaftlichen Aufstieg und die lange verwehrte Anerkennung.

Mit Hilfe von Blossom, einer an den Rollstuhl gefesselten Verwandten, die schon Generationen von Kindern Milch gegeben hat, päppelt sie das Kleine der “Madam” auf. Cotton Mary macht sich unverzichtbar. Als “Master” John endlich im Hospital erscheint, haben sich ohne seine Kenntnis bereits schwerwiegende Veränderungen vollzogen.

Mary zieht in das herrschaftliche Haus der Briten. Sehr schnell macht sie sich unentbehrlich. Sobald sie sich des Vertrauens der Madam sicher ist, beginnt sie ihren Feldzug gegen Abraham. Der aufrechte Diener seiner Herren ist den abgefeimten Plänen dieser Gegnerin nicht gewachsen. Steter Tropfen höhlt den Stein. Immer wieder weist Cotton Mary, die sich hemmungslos aus den Speisekammern und Kleiderschränken ihrer Herren bedient, darauf hin, dass der Schmutz im Haus, oder das Verschwinden von wertvollen Gegenständen, sicher der Sorglosigkeit oder vielleicht gar der kriminellen Energie indischer Bediensteter zu “danken” sei. Sie selbst, Cotton Mary, Tochter eines britischen Offiziers, sei ja wohl den weißen Herren ähnlicher und über jeden Verdacht erhaben.

Mit Cotton Mary beginnt eine neue Zeit. John Macintosh ist wie üblich lange Wochen im Land unterwegs. Die kleine Baba entwickelt sich dank der Milch spendenden Brüste Blossoms prächtig. Abraham fällt zunehmend in Ungnade, Theresa, als einzige im Macintosh-Haus hellsichtig und somit voller Angst vor den Umtrieben der anglo-indischen Mary, weiß nicht, wie sie die fürchterlichen Entwicklungen stoppen kann.

Die Wahrheit ist: Cotton räubert das Haus der Macintoshs geradezu aus. Ihre Beute schleppt sie in die Häuser ihrer weitverzweigten indischen Familie. Doch all die “Geschenke” können Blossom, ihre Schwestern und Nichten nicht lange besänftigen. Blossom, deren volle Brüste Baba retteten, will mehr als Geschenke, sondern die Anerkennung durch den Besuch der “Madam”. Dummerweise hat Lily nicht die leiseste Ahnung, wie ihr Kind gerettet wurde und wem dafür wirklich zu danken ist.

Cotton Mary agiert immer selbstsicherer in der britischen Gemeinschaft und erweckt zunehmend den Argwohn der englischen Ladies, denen nicht verborgen bleibt, dass Mary Schuhe und Kleider ihrer “Madam” trägt. Überdies benimmt sie sich in der Öffentlichkeit, als sei sie selbst eine britische Dame.

Das Blatt wendet sich nach Marys größten Siegen. Zuerst gelingt es ihr, Nichte Rosie im Haus unterzubringen. Es bedurfte nur weniger Sekunden und der “Master” hatte begriffen, in Rosie eine wunderbare, zukünftige Bettgenossin gefunden zu haben. Doch nachdem sie die entscheidungsschwache Lily dazu gebracht hat, den guten Abraham im wahrsten Sinne des Wortes in die Wüste zu schicken, werden Marys Hoffnungen, einen Platz an der Sonne der Masters und Madams zu erobern, zunehmend dunkler.

Die Schwestern und Nichten, seit langem begierig, die “Madam” zu sehen, haben Mary inzwischen durchschaut. Sie sind auch die ersten, die es aussprechen. Marys Vater war keineswegs ein britischer Offizier. Er war der Bursche und Schuhputzer seiner ausländischen Herren. Nicht mehr.

Und Rosie, Cotton Marys unsteter Augenstern? Die Kleine steht in der Gunst des “Masters”, der sie pro forma als Übersetzerin engagierte, in Wahrheit aber eine gerade gewachsene willige Bettgenossin sucht. Allerdings kann Rosie das Plappern nicht lassen. Dem fassungslosen John Macintosh werden mit einmal die Augen über die Zustände in seinem Haus geöffnet.

Und so zerplatzt der Traum der Cotton Mary vom reinen britischen Leben. Ihre aufgebrachten Verwandten kommen dahinter, dass sie eine Hochstaplerin ist. Lily erfährt, wer und wo ihre kleine Baba immer gestillt hat. Die verzweifelte Theresa kann ihre Mutter davon überzeugen, dass der getreue Abraham zu Unrecht verdächtigt und entlassen wurde. Und selbst der heißblütige “Master” erfährt bei seinen Liebesspielen mit der süßen Rosie soviel von Cotton Marys Umtrieben, dass ihm die Galle hoch kocht.

Im friedvollen Manor-House der Macintoshs brennt es lichterloh. Und Cotton Marys Pläne gehen allesamt zum Teufel. Die Frage ist nur, wie wird sich die Hochstaplerin, jetzt, da alle hellwach geworden sind, aus der Affäre ziehen?

Ein neues Meisterwerk des vierfach Oscar-nominierten Produzenten und Regisseurs Ismail Merchant (“Wiedersehen in Howard’s End”, “Was vom Tage übrig blieb”, “Die Zeit der Jugend”, “The Proprietor”): Nach einem Theaterstück der erfolgreichen und gefeierten Autorin Alexandra Viets erzählt der langjährige Partner des großen James Ivory ein farbenprächtiges Drama von bitterer Tragik, typisch für die Jahre der Nachkolonialzeit Indiens.

Greta Scacchi, die 1960 in Mailand geborene Tochter einer englischen Tänzerin und eines italienischen Malers, spielt die entscheidungsschwache, überforderte “Madam” Macintosh, die sich nach der Geburt ihrer Tochter der durchtriebenen “Cotton Mary”, einer Anglo-Inderin mit Hang zum “Höheren”, ausliefert. Mit fatalen Folgen, versteht sich. Die mit zahlreichen Festivalpreisen ausgezeichnete “Emmy”-Preisträgerin wurde 1987 durch ihre darstellerische Leistung in dem Erfolgsfilm “Die letzten Tage in Kenya” weltbekannt. Zu ihren bekanntesten Arbeiten zählen u.a. das romantische Drama “Good Morning, Babylon” aus der Frühzeit der Hollywood-Produktionen, “Leidenschaftliche Begegnung”, “The Coca Cola Kid”, der Thriller “Aus Mangel an Beweisen”, Wolfgang Petersens “Tod im Spiegel”, die Bestsellerverfilmung “Salz auf unserer Haut” sowie “Der Schlangenkuss”, “Die Abenteuer des Odysseus”, “Rasputin”, “Die rote Violine”, “One of the Hollywood-Ten” oder Robert Altmans Meisterwerk “The Player”.

Madhur Jaffrey, Inderin und Jahrgang 1937, Autorin zahlreicher Kochbuch-Bestseller, bietet eine unvergessliche, geradezu brillante Leistung als getriebene und intrigante Titelfigur Cotton Mary, die sich nichts mehr wünscht als Anerkennung und gesellschaftlichen Aufstieg. Jaffrey, die 1965 für ihre Leistung in “Shakespeare Wallah” mit dem “Silbernen Bären” als beste Schauspielerin bei der Berlinale ausgezeichnet wurde, ist neben ihren anderen Aktivitäten immer wieder in eindrucksvollen Rollen vor der Kamera zu erleben. U.a. war sie in “Flawless – Makellos”, neben Jack Nicholson in “Wolf – Das Tier im Manne”, in “Chutney Popcorn” oder “Das Leben im Sechserpack” zu sehen. Madhur Jaffrey war es übrigens, die das Erfolgsduo Ismael Merchant und James Ivory miteinander bekannt machte. Bei “Cotton Mary” zeichnet sie auch für die Co-Regie verantwortlich.

James Wilby, 1987 beim Filmfestival in Venedig mit dem begehrten “Volpi” ausgezeichnet, spielt den untreuen  BBC-Korrespondenten John Macintosh. Der  1958 in Rangoon, Burma geborene, hochgewachsene Schauspieler, hat seit Anfang der 80er Jahre in über 30 Spielfilmen mitgewirkt. Die bekanntesten: “Zimmer mit Aussicht”, “Maurice”, “Ein schicksalhafter Sommer”, “Eine Handvoll Staub”, “Wiedersehen in Howard’s End”, “Lady Chatterley”, “Der Preis der Ehre”, “An Ideal Husband”, “Dunkle Kammern”.

In weiteren Rollen sind neben zahlreichen bekannten indischen (Bollywood-) Darstellern auch Sarah Badel (“Nicht ohne meine Tochter”, “Die letzte Jagd”, “Cold Comfort Farm”, “King Lear”), Joanna David (“Das schnelle Geld – Die Nick Leeson Story”, “The Forsythe Saga”, “Dunkle Kammern”, “Anna Karenina”), Gemma Jones (“Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück”, “The Winslow Boy”, “Vom Fliegen und anderen Träumen”, “Oscar Wilde”, “Sinn und Sinnlichkeit”) und Laura Lumley (“Je t’aime John Wayne”, “The Blonde Bombshell”) in wundervollen kleinen Rollen zu sehen. Witzige, ausgespielte Karikaturen des britischen Kolonialverständnisses!

Die Rolle der hinreißenden Rosie ist Saskina Jaffrey, der Tochter von Madhur Jaffrey, wie auf den Leib geschrieben. Saskina, in Indien ein bekannter Star, war auch in internationalen Produktionen wie “Großstadtsklaven”, “Der Indianer im Küchenschrank”, “Revolution #9”, “The Truth About Charlie” oder “Daylight” zu erleben.

Als Chefkameramann wurde “BAFTA”- und “César”-Preisträger Pierre Lhomme (“Cyrano de Bergerac”, “Jefferson in Paris”, “Homo Faber”, “Camille Claudel”, “Maurice”, “Die Mama und die Hure”, “Armee im Schatten”) verpflichtet. Die Musik lieferte der bekannte Richard Robbins (“Golden Bowl”, “The Proprietor”, “Jefferson in Paris”, “Was vom Tage übrig blieb”, “Wiedersehen in Howard’s End”, “Zimmer mit Aussicht”, “Mr. und Mrs. Bridge”).  (PRESSETEXT)

Originaltitel: Cotton Mary

Regie: Ismail Merchant

Darsteller: Greta Scacchi, Madhur Jaffrey, James Wilby, Sarah Badel, Riyu Bajaj, Gerson Da Cunha, Joanna David

USA/Frankreich/England 1999

(Haiko Herden)

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