Die Samurai-Filme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa sind großartig, doch viel mehr gefallen mir seine reinen Dramen wie “BILANZ EINES LEBENS” oder “IKIRU”. Auch “NACHTASYL” ist ein herausragendes Werk voller Pessimismus und ganz großer Schauspielkunst. Kurosawa hat sich eines der bekanntesten Stücke von Maxim Gorki angenommen und das Setting nach Edo (dem frühen Tokio) ans Ende der Tukugawa-Zeit gelegt. In einer schmutzigen Baracke haben sich einige der Ärmsten Menschen zusammengerottet und verbringen hier ihre Zeit mit Trinken, Glücksspielen und Reden. Die meisten haben sich in ihr Schicksal ergeben, dass es keine Zukunft für sie gibt, manche zehren von (meist eingebildeten) besseren Zeiten, manche versuchen einfach nur zu überleben, manche ihre Würde zu behalten. Eines Tages stößt ein alter Mann zu ihnen, der sich für einige Zeit dort aufhält. Er hat auf alles eine Antwort, für jeden einen guten Rat, schlichtet wo er kann, lullt die Leute mit Lügen ein und tatsächlich hat er einigen Einfluss auf die verschiedenen Menschen. Die Gemeinschaft wächst, manch einer schmiedet realistische Pläne für die Zukunft und bekommt Hoffnung. Doch als Zuschauer weiß man, das ist nur Schein, nur Augenwischerei, Trug.
Manchen Zuschauer könnte der Film abschrecken. Viel Gerede, Beschränkung auf zwei Drehorte (innerhalb der Baracke, außerhalb der Baracke), keine Action, 130 Minuten Laufzeit, keine allzu dramatischen Ereignisse, es wirkt wie ein Theaterstück (was es ja letztlich auch ist). “NACHTASYL” ist im Endeffekt Zynismus pur. Lebten die Armen vorher schon schlecht, geht es ihnen, nachdem sie Hoffnung geschöpft haben, hinterher noch schlechter. Um es nicht allzu bedrückend zu machen, hat Kurosawa die eine oder andere fast slapstickartige Szene eingebaut, die im Kontext allerdings doch jede Menge Melancholie versprüht. Ein schwieriges, aber ganz großes Meisterwerk, das man als Arthouse-Freund definitiv gesehen haben sollte. (Haiko Herden)
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