(Suhrkamp, ISBN 351836605X)
Mr. White wird an der Schweizer Grenze von der Grenzpolizei festgenommen – man hält ihn für den verschollenen Bildhauer Stiller. „Ich bin nicht Stiller“, dieser Satz prägt das weitere Buch. Im Gefängnis wird er besucht von alten Freunden, seiner Frau Julika, selbst engen Verwandten und alle bestätigen, dass er Stiller ist, doch er leugnet es. Er lässt die Geschichten trotzdem an sich heran, protokolliert sie aber, aus der Sicht eines Fremden, in Heften. Eine Gerichtsverhandlung muss die Sache seiner Identität klären…
Neben „HOMO FABER“ dürfte „STILLER“ das wohl bekannteste Werk von Max Frisch sein. Stiller, ein Mann, der seine Identität verleugnet, der sich eine neue Identität zugelegt hat sich eisern etwas vormacht. Das mag grotesk erscheinen oder von einer psychischen Störung zeugen, doch das wird gar nicht weiter verfolgt. Viel mehr geht es um die existenzielle Erfahrung, dass ein Mensch von sich selbst enttäuscht wurde und nun seine alte Haut ohne Kompromisse abgestreift hat, allerdings Stück für Stück ins alte Leben wieder zurückgerissen wird, bis ihm ein Gericht vorschreibt, wieder Stiller zu sein. In seinen Heften protokolliert er sein Leben, so wie es ein Aussenstehender tun würde, färbt diese Berichte aber bereits subjektiv ein, bezieht Stellung für Frau Julika und gegen Stiller. Dabei sieht Max Frisch den Verlust der Identität und das Eingezwängtsein in einer Rolle als gesellschaftliches Problem. Man kann nicht ausbrechen, nicht, wie bei einem Computerspiel, einfach das Spiel neu starten oder einen Charakter annehmen. Das Buch, geschrieben 1954, dürfte i der heutigen Zeit noch viel aktueller sein. Zu Lesen ist das Buch allerdings nicht gerade einfach. Teils ist es sehr langatmig, ergeht sich seitenweise in detaillierten Beschreibungen von Landschaften und anderen Dingen und ist, man muss es sagen, manchmal ein bisschen langweilig. An einigen Stellen hätte man wirklich ein bisschen straffen müssen. (Haiko Herden)
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