„Das Millionenspiel“ ist die beliebteste Sendung dieser Zeit. Hier muss ein freiwilliger Kandidat in sieben Tage in beliebiger Reihenfolge zehn Punkte in Deutschland erreichen. Einzige Schwierigkeit: Drei Killer sind im auf den Fersen mit dem strikten Befehl, ihn zu töten. Ein Spiel mit Jägern und einem Gejagten, wer gewinnt, bekommt die Million. Bei diesem Spiel, mittlerweile das Sechzehnte, ist Herr Lotz der Kandidat. Er rennt und rennt, er schläft kaum, manchmal hilft ihm jemand aus der Bevölkerung, manchmal hilft jemand den Jägern. Er ist immer erschöpfter...
Dieser Film entstand lange vor „RUNNING MAN“ und ist eine knallharte, extrem schwarzhumorige Satire, die ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus war. Die Story basiert auf der Kurzgeschichte „Der Tod spielt mit“ von Robert Sheckley und er hat es schon damals vorausgesehen: Reality TV in Extremform, um werbewirksame Einschaltquoten zu kriegen. Und um die Spannung der Show in die Höhe zu treiben, wird auch hier und da manipuliert. Die Rolle des Moderators dieser Todessendung wird gespielt von Dieter Thomas Heck. Das mag im ersten Moment lächerlich erscheinen, aber wenn man ihn sieht, hätte man keine bessere Besetzung finden können. Er schafft es, das Publikum mit reißerischen Nullreden in Rage zu bringen, so wie es die Moderatoren bei „BIG BROTHER“, „DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERSTAR“ und anderen ziemlich ähnlichen Shows tagtäglich tun. Das kann Heck auf eine unnachahmlich schmierige, aufgesetzte, aber extrem überzeugende Art tun. Und Dieter Hallervorden, gegen den Strich besetzt als Killer ist ebenfalls sehr glaubwürdig. Die Show an sich ist zwar sehr Seventies, aber auf ihre Weise immer noch aktuell. Das fängt bei den teils absichtlich unpassend eingeblendeten Werbeblocks an, über peinliche Betroffenheitsbekundungen und inhaltsleeren Geschwafel seitens des Moderators und extrem lächerlichen Ballettaufführungen als Unterhaltung während der Show (wobei in der heutigen Zeit kein Fernsehballett mehr tanzt, sondern unwichtige Pop-Hupfdohlen mit ebenso austauschbaren Darbietungen). Der Film ist streckenweise sehr dokumentarisch gehalten und manchmal so aufgemacht, als ob der Film die Show bzw. die Show der Film sei. Das hatte tatsächlich zur Folge, dass sich nach der Show beim ausstrahlenden Fernsehsender tatsächlich Leute bewarben, die als Kandidat mitmachen wollten, sowohl als Jäger, als auch als Gejagte. Dies macht erschreckend deutlich, dass es schon damals dumme Leute gab, die alles glauben, was ihnen das Fernsehen präsentiert.
Darf ich an dieser Stelle mal etwas zum ersten „DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERSTAR“-Finale sagen? Es geht um den Augenblick, als diese Juliette und dieser Alexander auf der Bühne stehen und gespannt auf die Verkündung warten, wer denn nun der endgültige Sieger dieser Staffel sei. Hat zufällig jemand kurz vor der Verkündung auf den RTL-Videotext geschaltet? Hier stand erstaunlicherweise schon, wer der Sieger ist inklusive der bewegenden Worte, die Alexander erst Minuten später von sich geben sollte. Und noch etwas zu diesem Augenblick: Der Sieger sollte ja das Bohlen-Lied gleich im Anschluss trällern. Ist jemandem von Euch aufgefallen, dass Alexander schon vor der Verkündung seinen Monitor-Knopf im Ohr hatte, Juliette aber nicht? Ich jedenfalls halte das für keinen Zufall, sondern für einen extremen Beschiss (der mich aber nicht verwundert). Diese Auffälligkeiten von seltsamen Zufällen zieht sich durch die ganze Show, aber auch durch Sendungen wie „BIG BROTHER“, „POPSTARS“ und allen anderen sogenannten Reality-Shows. Slatko wurde aus dem Haus geholt, als der beste Augenblick für eine Single war, Juliette, die definitiv begabteste der Show „DEUTSCHLAND SUCHT DEN SUPERSTAR“, durfte nicht siegen, weil sie keine Bohlen-Songs singen will, ein Daniel Küblbök durfte nicht ins Finale, weil er nicht anständig genug singen kann und deshalb hatte man ihn so lange gehypt, wie es möglich war, nämlich bis zum dritten Platz. Glaubt wirklich jemand, dass die Fernsehleute irgendetwas dem Zufall überlassen? Dazu steckt viel zu viel Geld hinter der ganzen Sache.
Abschließend bleibt noch zum Film „DAS MILLIONENSPIEL“ zu sagen, dass der 30 Jahre nicht gesendet werden durfte. Man mag denken, dass dies eine Verschwörung sei, weil niemand möchte, dass die Machenschaften des Fernsehens aufgedeckt werden, doch in diesem Falle ist die Antwort etwas profaner. Man hat sich die Rechte an der Kurzgeschichte nicht gesichert und konnte dieses Problem erst zur Jahrtausendwende klären. (Haiko Herden)
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