HAIKO´S FILMLEXIKON

KRITIK 1
KRITIK 2

ED GEIN

„Manche Leute sind einfach ruhig nach außen und unruhig innen drinnen.“
- Ed Gein -

Wie Jack the Ripper nachhaltig die Vorstellungen prägte, die mit Prostituiertenmördern verbunden werden, so formte Ed Gein das Bild des nekrophilen Serienmörders, dessen Taten jahrelang unbemerkt in einer nordamerikanischen Einöde vonstatten gehen. Bei beiden Pop-Ikonen des Frauenmordes haben die morbiden Legenden, die sich in ihrer spekulativen Unwahrheit bis heute noch unwidersprochen um sie ranken, und ihre fiktiven Alter Egos dazu beigetragen, ihre wahre Lebensgeschichte zu verfälschen. Gewissheit über die Identität von Jack the Ripper und seine Motivationen konnte bislang noch nicht erlangt werden, aber die Biographie des unscheinbaren Ed Gein ist bereits mehrmals akkurat in Buchform nachrecherchiert worden.

Ed Gein wurde als Edward Theodore Gein am 27.August, 1906 in La Crosse City geboren. Er war der zweite, jüngere Sohn von Augusta und George Gein. Augusta, eine Frau mit extremen Glaubensvorstellungen, frustrierte die Ehe mit dem Trinker George und so richtete sie ihre ganze Zuwendung auf Ed. Dieser verehrte sie bis zu seinem Tod als Heilige, die er zeit ihres Lebens aber immer wieder enttäuschte.

Ed Gein war ein sensibles Kind. Noch im Jugendalter brach er in Tränen aus, wenn man Späße über ihn machte. Freunde hatte er fast keine, da ihm seine Mutter den Umgang mit Altersgenossen verbot. So begann er ein leidenschaftlicher Leser zu werden, der sich vor allem Crime & Sex Stories, Erzählungen von Kopfjägern bzw. Kannibalen und Nazi-Literatur widmete.

Von letzterem las er Berichte über die Folterakte, welche die SS-Frau Ilse Koch an KZ-Gefangenen beging. Für das Sammeln von Köpfen und tätowierter menschlicher Haut, aus welcher sie Lampenschirme und Bucheinbände herstellte, wurde nicht nur sie berüchtigt. 1957, nachdem Ed Gein wegen dem Mord an der Ladenbesitzerin Bernice Worden verhaftet worden war, schuf er sich einen ebenbürtigen Platz in der Geschichte. Obwohl er „nur“ drei Menschen umbrachte, wenn man seinen Bruder Henry mitzählt, den er höchstwahrscheinlich im Affekt erschlug, haben ihn die näheren Umstände der Morde - Bernice Worden hatte er wie Jagdwild in seiner Scheune ausgeweidet - und die näheren Umstände seines Lebens - nach dem Tod seiner Mutter begann er über 10 Jahre lang aus Gräbern menschliche Organe sowie vollständige Körper zu rauben - berühmt gemacht. Er selbst gab an, sich weder an die Ermordung Mary Hogans noch an jene von Bernice Worden zu erinnern. Ausgelöst wären seine Taten dadurch geworden, dass die beiden unabhängigen Geschäftsfrauen seiner geliebten Mutter sehr ähnlich sahen, aber sündige Verführerinnen jenes Schlages gewesen seien, vor welchem Augusta ihren Sohn eindringlichst gewarnt hatte.    

Bevor man sich „Ed Gein“ zu Gemüte führt, würde ich empfehlen, eine jener „Nonfiction Novels“, die in der ewigen Tradition von „In Cold Blood“ (Truman Capote) geschrieben sind, über den „Teufel von Plainfield, Wisconsin“ zu lesen. Insbesondere die fachlich kompetenten Analysen seines Verhaltens, die einem beispielsweise „Deviant“ von Harold Schechter geben kann, sind der Hintergrundstoff, um mehr aus „Ed Gein“ zu gewinnen, als das ledigliche Faktenwissen um die Verbrechen des Einsiedlers. Geins Angewohntheiten, das Tragen von Masken aus Menschenhaut beispielsweise, werden nämlich nach dem Drehbuch von Stephen Johnston unerklärt zum Selbstzweck vorgeführt. Ohne genaue Kenntnisse seiner ambivalenten Beziehung zu seiner Mutter, aus der seine nekrophilen Vorlieben und sein radikal ausgelebter Glaube resultierten, ist man natürlich nicht verloren in dem Film, stellenweise aber doch verwirrt und in die Irre geführt. Denn kein Psychiater gibt eine umfassende Diagnose in einer informativen Schlusssequenz ab, wie es in „Psycho“ geschieht.

Robert Blochs und Alfred Hitchcocks Porträt der gespaltenen Figur Norman Bates hat übrigens massiv zu der Verbreitung großer Fehleinschätzungen über Ed Gein, dessen Denken in Wirklichkeit durch schizotype Störungen verzerrt wurde, und Schizophrenie generell beigetragen. Anders als Bates, der in Robert Blochs Roman drei Persönlichkeiten in sich birgt, trotzdem fälschlicherweise als schizophren diagnostiziert wird, litt Gein nicht an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung, sondern an Schizophrenie. Diese ließ ihn halluzinieren. Bei Spaziergängen im Wald sah er manchmal Gesichter im Laub und hörte allein in seinem leeren Haus die Stimme seiner toten Mutter.

Ebenso war Gein kein Kannibale, wie sein Abkömmling Leatherface. Ed hatte zwar eine Kollektion von Schrumpfköpfen, löffelte seine Suppe gerne aus einer Schüssel, zurechtgemacht aus einer Schädeldecke, aß aber kein Menschenfleisch. Zumindest konnte es nie bewiesen werden. All diese Feinheiten, die Ed Gein zuerst von Journalisten angedichtet wurden, und später Eingang in die Filmgeschichte fanden, machen „Deranged“, „Driller Killer“, „Three on a Meathook“, „Motel Hell“, ... mehr oder weniger einzigartig. 

Im Gegensatz zu den Filmen, die Ed Gein inspiriert hat, verlässt sich die Adaption seiner Biographie auf die Darstellung seiner außergewöhnlichen Hobbys in einem kühlen dokumentarischen Stil. Willkürlich eingesetzte Rückblenden geben einen Überblick über das Leben Geins bis zu seiner Verhaftung und seinem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt, in welcher er 1984 verstarb. Beinahe nahtlos hält sich die Filmbiographie an die Fakten, nur sein zweites Opfer, Bernice Worden, trägt (wahrscheinlich aus rechtlichen Gründen) den geänderten Namen Collette Marshall.

Von der Authentizität her kann „Ed Gein“ überzeugen, obwohl eine andere der tradierten Ungereimtheiten darin weiterverbreitet wird: während der Durchsuchung von Ed Geins Haus soll sich ein menschliches Herz in einer Pfanne brutzelnd am Herd befunden haben. In Wirklichkeit  lag das Herz in einem Plastiksack neben dem Herd.

Zwischen dem Mord an der Barfrau Mary Hogan und Bernice Worden vergingen übrigens tatsächlich drei Jahre, was im Film nur wenige Monate zu sein scheinen.

Übersieht man die billigen Effekte, die Feuer im Wald simulieren, so bleibt „Ed Gein“ eine aufwendig mit Kulissen „amerikanischer Gotik“ und professionellen Schauspielern gedrehte Dokumentation. Viel mehr vollbringt „Ed Gein“ nicht, als eine Monstrositätenschau, die sich in dieser Form vor 50 Jahren zugetragen hat, gegen den Widerstand vieler Gerüchte ins rechte Licht zu rücken. Die psychoanalytische Deutung und die kritische Betrachtung des Geschehens, wobei der Medienrummel um Ed Gein gar keine Erwähnung findet, wird ganz dem Zuschauer überlassen, während sich die objektive Erzählweise in den leeren Blicken von Steve Railsback verliert.  

Splatter 

SFX 

Humor 

Action 

Anspruch 

Spannung 

Erotik 

Musik+Sound 

Gesamt 

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Originaltitel: In The Light Of The Moon / Ed Gein / Under The Moonlight

Regie: Chuck Parello

Darsteller: Steve Railsback, Steve Railsback, Carrie Snodgress, Carol Mansell, Ryan Thomas Brockington, Austin James Peck, Bill Cross, Brian Evers, Rick Simpson  

USA 2000

(Markus Grundtner)


ED GEIN

1945 in Wisconsin. Bislang stand Ed Gain immer unter Fuchtel seiner extrem religiösen Mutter, die ihn immer unterdrückte. Nachdem der Vater gestorben war, geriet er in Streit mit seinem älteren Bruder Henry und erschlägt diesen im Affekt im Wald. Er berichtet von einem Jagdunfall. Nun ist auch Mutter gestorben und der gute Ed, inzwischen ein erwachsener Mann mittleren Alters kann dies nicht wirklich verwinden. In Visionen sieht er seine Mutter, die ihm Befehle gibt, den Schmutz und die Verdorbenheit zu entsorgen...

Was natürlich heissen soll, dass er alle liderlichen Weibsbilder und die perversen Männer richtet. Das Cover sagt uns, dass dies die wahre und bizarre Geschichte hinter „DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER“, „PSYCHO“ und „TEXAS CHAINSAW MASSACRE“ ist. „ED GEIN“ beruht auf Tatsachen, diesen Mann gab es wirklich und es wirkt tatsächlich so, als seien die Serienkiller aus den genannten Filmen tatsächlich von Ed Gein abgekupfert. Das Essen von Menschenfleisch aus dem „SCHWEIGEN DER LÄMMER“, das gestörte Verhältnis zur Mutter aus „PSYCHO“ und das Basteln mit Menschenteilen (Möbel, Kleidung etc.) aus „TEXAS CHAINSAW MASSACRE“. „ED GEIN“ bietet ein paar gemeine Szenen und jede Menge wirklich guter Darsteller, die allesamt sehr glaubhaft sind. Und schockierend ist der Film in erster Linie daher, weil man weiss, dass alles auf wahren Begebenheiten beruht.

Die deutsche DVD von e-m-s präsentiert den Film in Deutsch und Englisch jeweils in Dolby Digital 5.1 und Dolby Digital 2.0 sowie im Bildformat 1:1.78 anamorph. Als Untertitel gibt es Deutsch und Deutsch für Hörgeschädigte. Als Extras sind verfügbar der englische Originaltrailer, der deutsche Originaltrailer. Weiterhin gibt es eine Ed Gein-Biografie auf vorgelesenen Texttafeln, Originalfotos von Ed Gein, ein Interview mit Chuck Parello, ein Interview mit Steve Railsback sowie von beiden noch die Biografien und ein Textinterview.

Splatter  SFX  Humor  Action  Anspruch  Spannung  Erotik  Musik+Sound  Gesamt 
2 0 0 1 2 3 1 3 4

Originaltitel: In The Light Of The Moon / Ed Gein / Under The Moonlight

Regie: Chuck Parello

Darsteller: Steve Railsback, Carrie Snodgress, Carol Mansell, Ryan Thomas Brockington, Austin James Peck, Bill Cross, Brian Evers, Rick Simpson

USA 2000

(Haiko Herden)


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