Musiker versuchen sich auch gerne mal in Bereichen, die mit ihrer eigenen Musik nichts zu tun haben, allen voran natürlich an der Schauspielerei, was zu teilweise skurrilen Ergebnissen führt und nur selten überzeugend ist. Viel naheliegender ist da natürlich vor allem für Sänger, sich im Hörspiel- und Hörbuch-Genre zu versuchen. Kein Wunder also, dass der Hamburger Musiker Wolfgang Müller als Initiator des Projektes „Es War Einmal Und Wenn Sie Nicht“ eine illustre Schar deutscher Musiker versammeln konnte, um klassische Volksmärchen, zusammengetragen und bearbeitet von den Brüdern Grimm, auf 2 CDs/3 LPs neu zu erzählen. Dabei hielt man sich aber ganz bewusst an die originalen Texte aus dem 19. Jahrhundert und modernisierte sie nicht.
Die Musiker wählten selbst aus, welche Märchen sie vortragen wollten und die meisten nahmen sie auch selbst auf, so dass sie später nur noch gemastert werden mussten. Eine angenehm schlanke Produktionsweise. Zwischen den einzelnen Märchen, die zwischen 2 und 16 Minuten lang sind, meist aber so 4 bis 6, gibt es kurze Zwischenmusiken, die an Lagerfeuer-Gitarrengeklimper erinnern, was zwar passt, aber nicht besonders aufregend ist.
Wichtiger ist aber die Leistung der Musiker, die mit Thees Uhlmann, Olli Schulz, Marcus Wiebusch, Jan Plewka, Cäthe, Tom Liwa oder Niels Frevert einige wirklich bekannte Namen haben, denen aber Leute wie Clickclickdecker Gisbert zu Knyphausen, Moritz Krämer, Ingo Pohlmann, Enno Bunger, Tex, Francesco Wilking, Markus Berges, Desirée Klaeukens (leider die einzige Dame) und Wolfgang Müller selbst in nichts nachstehen. Natürlich sind die Leistungen unterschiedlich, einige lesen einfach nur vor, manche scheinen es eilig gehabt zu haben, fertig zu werden, andere wiederum bemühen sich überzeugend, den Geschichten Leben einzuhauchen, durch Betonung und unterschiedliche Stimmen für die Figuren. Es wäre aber nicht fair, hier einzelne hervorzuheben oder zu kritisieren, denn es handelt sich eben um Sänger und nicht um ausgebildete Sprecher. Dass sie überhaupt an diesem Projekt teilgenommen haben, beweist Mut und trägt sicher dazu bei, die klassischen Märchen am Leben zu erhalten. Den einen oder anderen wird man sicher mal wieder als Erzähler oder Hörspielsprecher hören.
Viele junge Fans der Sänger dürften die meisten Märchen kaum kennen, nicht einmal die ganz bekannten wie „Dornröschen“, „Der Froschkönig“, „Rapunzel“, „Aschenputtel“ oder „König Drosselbart“. Von den ganz bekannten Werken fehlen merkwürdigerweise ausgerechnet „Schneewittchen“, „Hänsel Und Gretel“ und „Rumpelstilzchen“. Dafür gibt es aber einige weniger oft gehörte Geschichten wie „Die Kluge Else“, „Der Faule Heinz“, „Der Zaunkönig Und Der Bär“ oder „Von Dem Tode Des Hühnchens“, so dass sogar Leute, die die Märchen als Kinder noch kennengelernt haben, also wohl hauptsächlich Menschen deutlich über 30, so manche Neuentdeckung machen.
Die Doppel-CD kommt in einem sehr schön gestalteten mehrfach aufklappbaren DigiPak und bietet über zweieinhalb Stunden angenehm unspektakuläre Unterhaltung. Sicher wird man kaum alle Märchen am Stück hintereinander hören, obwohl durch die unterschiedlichen Sprecher Abwechslung garantiert ist, aber im Grunde ist diese Veröffentlichung perfekt, um zum einschlafen zwei oder drei Märchen zu hören. Da kommen dann tatsächlich Kindheitserinnerungen auf, als man die Märchen auf Hörspiel-LPs in den 70er Jahren immer wieder angehört hat. Und ein größeres Lob kann man diesem Projekt wohl kaum aussprechen. (A.P.)
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