(Lübbe Audio - 2001 - 6 CDs 392 Min. - ISBN 3-7857-1081-X)
Hans Jürgen Massaquoi wurde 1926 als Sohn der Hamburger Krankenschwester Berta Baetz und des Liberianers Al-Haj Massaquoi in Hamburg geboren. Sein Großvater, ehemals König der Vai, ist liberianischer Großkonsul in Hamburg. Hans Jürgen wächst mit seiner Mutter in gutbürgerlichen Verhältnissen mit weißen Dienstboten auf. Doch dann verlässt sein Großvater Hamburg. Hans Jürgen und seine Mutter können nicht mit nach Liberia und ziehen in das Arbeiterviertel Barmbek. Als die Nazis die Macht in Deutschland übernehmen ändert sich das Leben von Hans Jürgen und seiner Mutter einschneidend. Wie beide relativ unbehelligt überleben ist eine fast unglaubliche Geschichte…
Der Vater von Massaquoi studiert im Ausland und kümmert sich fast nicht um die Familie. Unter immer anderen Ausreden wird er Berta Baetz auch nie heiraten. Ganz anders der Großvater Momulu Massaquoi, der als erster Generalkonsul eines afrikanischen Landes in Hamburg lebt. Er liebt den Jungen und hat Zeit für ihn. In seinem Haus verbringt Hans Jürgen die ersten Jahre bis sein Großvater 1929 nach Liberia zurückkehrt. In Barmbek, einem Arbeiterviertel in Hamburg, wohin er mit seiner Mutter nun zieht, gab es das behütete großbürgerliche Leben nicht mehr. Hier fiel er aufgrund seiner Hautfarbe auf, wurde angefeindet und hörte Spottverse wie „Neger, Neger, Schornsteinfeger“.
Als 1933 die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen, wollte auch Hans Jürgen, wie seine Freunde bei den Aktivitäten der Hitlerjugend mitmachen, doch er durfte nicht, war unerwünscht. Er bettelt bei seiner Mutter solange, bis sie nicht mehr die Kraft hat, ihm die HJ auszureden und kommt seiner Bitte und Hoffnung auf eine Ausnahme für sich nach und geht mit ihm zu einem HJ-Heim. Wahrscheinlich waren die HJ-Führer so sehr überrascht von dem Besuch, dass die Beiden nur beschimpft und weggejagt wurden. Aber er fand auch Freunde und Menschen, die ihm halfen, für die er einfach nur Hans Jürgen war, so wie Tante Möller, die Nachbarin, eine herzensgute Frau, die auf ihn aufpasste, während seine Mutter arbeitete. Seine Klassenlehrerin Frl. Beyle, macht an seinem ersten Schultag unmissverständlich klar, dass es ihr nicht um die Hautfarbe ging. So schildert Massaquoi die Jahre bis 1945, die er vielleicht nur überlebt, weil er als Afrikaner in Deutschland so sehr Exot war, dass er noch nicht in das Rassenklischee der Nazis, die wie er mehrfach hörte zunächst „mit den Juden fertig werden müssten“, hineinpasste.
Zum Kriegsende hin lernt er die Familie Giordano kennen, die selbst verfolgt wurden und ihm und seiner Mutter dennoch Hilfe anboten. Nach dem Krieg konnte er für sich und seine Mutter Vorteile daraus ziehen, dass er Afrikaner war und einige Brocken Englisch sprach. Massaquoi reiste nach Liberia und wanderte 1950 in die USA aus, wo er Malcolm X und Martin Luther King kennen lernte. Er engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung und war viele Jahre als Redakteur und Chefredakteur des auflagenstärksten afro-amerikanischen Magazins „Ebony“ tätig.
Über die ersten Nachkriegsjahre, die in der Buchbiographie noch geschildert werden, erfahren wir aber in der Hörbuchfassung nichts mehr. Sie endet mit der Abreise nach Afrika. Das ist einerseits ein bisschen schade, denn auch die Zeit in Afrika ist durchaus interessant, trotzdem ist das Hörbuch unbedingt empfehlenswert. Das ist zum großen Teil auch Christoph Lindert zu verdanken, der als Sprecher gewonnen werden konnte. Lindert absolvierte eine der bedeutendsten Schauspielschulen in Deutschland, das Otto Falckenberg Institut in München. Er hatte Engagements an renommierten Theatern, sowie Film – und Fernsehrollen. Er synchronisierte und sprach in Hörspielen und ist seit einigen Jahren auch als Sprecher für Hörbuchproduktionen tätig. Dieses Hörbuch besticht durch seine Lebendigkeit, einerseits durch Christoph Lindert und andererseits natürlich durch die Geschichte von Hans Jürgen Massaquoi, der viele Begebenheiten schildert, die heute undenkbar wären, so der Besuch im Tierpark Hagenbeck, wo neben den Tieren auch eine Gruppe Afrikaner „ausgestellt“ wurde. Er erzählt von den „unmenschlichen“ Lehrern Dutke und Wriede, die ihm das Leben schwer machen, aber eben auch von Tante Möller, Frl. Beyle und einigen anderen die ihm halfen, die keine Rassisten waren. Das Hörbuch ist in der Umsetzung äußerst gelungen und unbedingt hörenswert! (S.P.)
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