Eine junge Frau begibt sich auf die Spuren ihres verstorbenen Cousins. Dieser war Autor mit einer ausgeprägten Fantasie. Die Frau trifft auf verschiedene Orte und Gestalten aus den Fantasien des Toten und spätestens als sie sein altes Haus aufsucht, gerät sie in einen merkwürdigen Strudel bizarrer Ereignisse. Sind es Geister oder reale Gestalten, die ihr erklären wollen, dass der Tod nicht unbedingt das Ende sein muss?
Bei Filmen von Jean Rollin gibt es zwischen absoluter Faszination und totaler Ablehnung wenig. Der große französische Regisseur war immer eher Künstler als Kommerzregisseur, auch, wenn er Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre im Zuge des Splatter-Booms einige relativ straighte, aber dennoch poetische Filme wie „Foltermühle Der Geschändeten Frauen“ und „The Living Dead Girl“ abgedreht hat, sie sicher zu seinen größten Erfolgen zählen. Berühmt ist er aber eher für seine zahlreichen surrealistisch-erotischen Vampirfilme der 70er Jahre. Legendär ist auch das melancholische, fast schon depressive Meisterwerk „La Rose De Fer“. Auch für den einen oder anderen Hardcore-Streifen war der Mann sich nicht zu schade. Ab Ende der 80er Jahre ließ der Film-Output nach und im dritten Jahrtausend entstanden nur noch wenige Filme. Der bisher (und wahrscheinlich dauerhaft) letzte ist „Die Nacht Der Uhren“.
Man wird beim Angucken des Films den Gedanken nicht los, dass dies Rollins filmisches Testament sein soll, denn er zitiert sich offen selbst und lässt praktisch ein ganzes Werk noch einmal Revue passieren. Der verstorbene Schriftsteller steht offensichtlich für ihn selbst und die Hauptdarstellerin durchwandert im Prinzip noch einmal sein gesamtes Ouevre. Dabei wird die Rahmenhandlung immer wieder mit Szenen aus den alten Filmen aufgefüllt und es tauchen bekannte Figuren aus der Vergangenheit auf. Manches wird erklärt, anderes wird noch geheimnisvoller. Die Stimmung ist dabei typisch für Rollins Gesamtwerk, auch wenn die durchaus schönen Bilder auf dem offenbar verwendeten Digital-Video-Material nicht so intensiv wirken, wie auf Filmmaterial. Ein gewisser steriler Look ist nun einmal typisch für das neue Format.
Wer auf eine leicht nachvollziehbare Handlung steht, ist hier mit Sicherheit falsch, so wie er bei Jean Rollins Filmen immer falsch war, hier geht ganz klar Stil über Inhalt. Symbolik scheint oft über allem anderen zu stehen, Puppen, Uhren, Wasser, Statuen. Wenn man das mag, wie ich es tue, kann man sich auch in „Die Nacht Der Uhren“ verlieren und gut 90 Minuten in surrealistische und poetische Bilderwelten eintauchen. Blutig wird es nur selten, grausam schon häufiger, aber das sollte bei einem Rollin-Film sowieso nicht der Hauptaspekt sein, um ihn sich anzusehen. Natürlich gibt es auch nackte Frauen zu sehen, aber auch hier hat sich der inzwischen über 70jährige Franzose gegenüber früher zurückgenommen.
Man erkennt sofort beim Ansehen, dass es sich um einen Rollin-Film handelt, auch, wenn man das vorher nicht wüsste, aber es fehlt eben doch ein bisschen der Zauber der alten Werke. Ich nehme tatsächlich stark an, dass dies als filmisches Vermächtnis gedacht ist und als das funktioniert „Die Nacht Der Uhren“ – der deutsche Titel klingt doch etwas kantig, auch wenn es eine Übersetzung des Originaltitels ist – recht gut und es ist schön, dass Rollin seine eigene Art, Filme zu machen über mehr als vier Jahrzehnte bewahrt hat.
Die deutsche DVD von X-Rated scheint bisher die einzige Veröffentlichung des Films zu sein und es ist erfreulich, dass man sich dazu entschlossen hat, solch ein Nischenprodukt auf den Markt zu schmeißen. Da die Alternativen aber nicht vorhanden sind, dürfte die DVD auch Interesse bei den zahlreichen ausländischen Fans erregen.
Da macht es auch nicht viel aus, dass eine deutsche Synchronisation nicht vorhanden ist. Einerseits schade, denn Untertitel (auf Deutsch vorhanden) zu lesen lenkt eben doch immer etwas ab, andererseits klingt die Französische Sprache zu den Bildern natürlich viel schöner. Und lieber gar keine Synchro, als eine billige, schlechte. Untertitel gibt es weiterhin auch in Englisch. Die Bildqualität ist einwandfrei und im Format 1:1,77 anamorph. Bonusmaterial gibt es nicht zu bewundern, aber wahrscheinlich gibt es zu dem Film auch einfach nichts weiter. Bildergalerien mit selbstgemachten Standfotos aus dem Film oder selbst gebastelte Trailer braucht schließlich niemand und ein Interview mit Rollin hätte wahrscheinlich auch wieder Geld gekostet. Das Covermotiv ist allerdings nicht besonders schön ausgewählt und schmückt die Buchbox nicht besonders, auch, wenn es vielleicht das offizielle Motiv zum Film sein sollte.
Dennoch, eine Alternative haben Jean Rollin-Fans derzeit nicht, insofern heißt es zuschlagen. (A.P.)
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